Gotthard-Basistunnel: Sicherheit, Betrieb, Züge

Oberleitungsmontagetriebwagen in der Oströhre des Gotthard-Basistunnels an der Multifunktionsstelle Faido. – 20.11.2014 © Hannes Ortlieb, Wikipedia
Kopf der Tunnelbohrmaschine S-210 ohne Schneidrollen. – 16.09.2006 © Cooper.ch, Wikipedia
Modell des Stadler EC250. – 24.09.2015 © Jakub ´Flyz1´ Maciejewski, Wikipedia

Tief unter den Schweizer Alpen entand ab 1999 in knapp 17-jähriger Bauphase der längste Tunnel der Welt. Der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel (GBT) wird ab dem 11. Dezember 2016[9] den internationalen Schienenverkehr nach Fahrplan durch die Schweiz deutlich beschleunigen. Bis zu 238 Züge sollen den Tunnel täglich passieren[13] – zwei Drittel davon sind bis zu 160 km/h schnelle Güterzüge und ein Drittel 250 km/h schnelle Hochgeschwindigkeitszüge.[3][12] Als Höchstgeschwindigkeit seien vorerst 200 km/h vorgesehen.[13] Die offizielle Eröffnung wird allerdings bereits am 1. Juni 2016 gefeiert werden. Am Wochenende vom 4. und 5. Juni schließt sich ein Volksfest vor Ort an.

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Die ersten Planungen für einen Tunnel unter dem Gotthardmassiv

Eduard Gruner war der erste, der einen Basistunnel für Autos und Züge durch das Gotthardmassiv konzipierte. Seine Idee präsentierte der Schweizer Ingenieur und Verkehrsplaner bereits im Jahr 1947, doch erst 1961 kam es zur Ausarbeitung des Projektes: Vorgesehen war ein 45 Kilometer langer Doppelspurtunnel für 200 km/h zwischen Amsteg und Giornico. Angetrieben vom starken Verkehrswachstum hatte der Basistunnel hohe Priorität. 1964 wurde jedoch ein Straßentunnel favorisiert und praktisch ohne große Widerstände seitens der Bevölkerung ging dieser 1968 in Bau. Der Güterverkehr auf der Schiene war wegen der Rezession ab 1973 rückläufig. Daher rückte der Eisenbahntunnel unter dem Gotthardmassiv vorerst in den Hintergrund.[2]

Erst Ende 1988 kam der Stein wieder ins Rollen und nach eingehenden Beratungen beschloss die Schweizer Regierung im Mai 1989 den Verlauf der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Neben dem Gotthard-Basistunnel sollte auch der Lötschbergbasistunnel realisiert werden. Nach nochmaligen Planungsänderungen erfolgte am 4. November 1999 endlich der Anstich des Gotthard-Basistunnels. Mit der Fertigstellung des Tunnels wurde zwischen 2010 und 2012 gerechnet.[2]

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Die Realisierung des Gotthard-Basistunnels

Der Gotthard-Basistunnel besteht aus zwei 57 Kilometer langen Einspurröhren, die etwa 40 Meter auseinanderliegen[1] und in einer Höhe von 550 Metern über Normalnull durch die Bergkette führt.[3] Alle 325 Meter sind sie durch Querstollen miteinander verbunden.[1] Das komplette Tunnelsystem mit Querschlägen sowie Zugangs- und Belüftungsstollen umfasst insgesamt 153,5 Kilometer.[4] Die beiden Gleiswechselanlagen liegen bei Faido und Sedrun. Die Tunnelportale befinden sich in Bodio im Süden und Erstfeld im Norden. Zusätzlich kann man in Faido und Amsteg über Zugangsstollen zu den Gleisen gelangen. Vier Nothaltestellen mit Frischluft- und Fluchtröhren ermöglichen die Evakuierung über den Zugangsstollen Faido oder über die beiden Schächte in Sedrun. Anfallendes Tunnelwasser wird durch einen Kanal unterhalb des Tunnels nach außen geführt. Im Gotthard-Basistunnel könnten Temperaturen bis 50 Grad Celsius entstehen, doch die durchfahrenden Züge pressen die warme Luft hinaus und ziehen durch den Sog kühle Luft von außen hinein.[2][12] Die Betriebstemperatur soll so unterhalb der 40 Grad-Marke bleiben.[4]

Mit Tunnelbohrmaschinen und Sprengungen wurden die Röhren von fünf Stellen vorangetrieben.[1] Die 24 Millionen Tonnen Gestein[3] (bzw. 28,2 Millionen Tonnen[11]) wurden als Betonzusatzstoff verwendet, in Senken und alten Steinbrüchen abgelagert, als Schotter verkauft und für Renaturierungsmaßnahmen genutzt.[2] Am 15. Oktober 2010 wurde die Oströhre rund 27 Kilometer vom Nordportal durchgebrochen. Am 23. März 2011 war auch die Weströhre komplett durchgängig. Es folgten die Gleisverlegung und die Montage der Oberleitungen.[2]

Gotthard-Basistunnel: Schematischer Aufbau, Copyright: AlpTransit Gotthard AG

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Testfahrten im Gotthard-Basistunnel

Die ersten Testfahrten fanden ab Dezember 2013 auf einem 13,4 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Südportal Bodio und Faido statt. Für die Hochtastfahrten bis 230 km/h zog man die Elektrolok der Baureihe Re 460 heran. Auch der für 330 km/h zugelassene ICE-S spielte im November 2015 eine wichtige Rolle für Abnahmefahrten bis 275 km/h.[6][10] Erst im Januar 2016 folgten die Tests mit Güterzügen unterschiedlicher Bauformen.[10]

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Neue Hochgeschwindigkeitszüge von Stadler

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB schrieben erst 2012 neue Hochgeschwindigkeitszüge aus, vor allem um die betagten Cisalpino-Züge der Reihe ETR 470 zu ersetzen. Zugunsten der Zuverlässigkeit soll auf Neigetechnik verzichtet werden.[5] Stadler gewann im Mai 2014 die Ausschreibung und darf für 980 Millionen Franken 29 Hochgeschwindigkeitszüge herstellen. Um den strengeren Auflagen für Züge, die 250 km/h oder schneller fahren, zu entkommen, sollen die neuen, 200 Meter langen, 11-teiligen Züge mit nicht mehr als 249 km/h verkehren.[8]

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Aufrüstung bestehender Züge

Natürlich muss auch das bestehende Rollmaterial an die sicherheitstechnischen Bedingungen für die Durchfahrt durch den Gotthard-Basistunnel angepasst werden. Nicht nur die neuen Superzüge von Stadler sollen die neue Verbindung nutzen, sondern auch einige Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ETR 610 und 18 ICN-Kompositionen. 13 Loks der Serie Re 460, 119 IC-Wagen sowie Güterzuglokomotiven der SBB Cargo müssen nicht nur das im Tunnel implementierte Zugbeeinflussungssystem ETCS Level 2 verstehen, sondern auch die Brandschutzauflagen erfüllen.[9]

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Das Sicherheitskonzept des Gotthard-Basistunnels

Selbstverständlich wurde bei den Planungen und der Umsetzung viel Wert auf die Sicherheit im Tunnel gelegt. Das fängt bereits beim Rollmaterial an, denn nicht alle Züge dürfen den GBT befahren und müssen den bisherigen, höher gelegenen Scheiteltunnel nutzen. Zum einen müssen die Züge das Zugsicherungssystem ETCS Level 2 verstehen, das im Tunnel Verwendung findet, zum anderen verbesserte Notlaufeigenschaften haben, um im Gefahrfall bis zu einer der Nothalte weiterfahren zu können. An den Zulaufstrecken erkennen Zugkontrolleinrichtungen frühzeitig Defekte bei den Zügen und stoppen diese bereits vor Einfahrt in den Tunnel.

Sollte doch einmal ein Feuer im Zug ausbrechen, melden Sensoren im Zug bzw. im Tunnel dem Lokfahrer den Brand und er versucht, bis zur nächstgelegenen Nothaltestelle zu fahren. Das Zugpersonal erkennt an Warntönen und einem B im Display des Fahrgastinformationssystems, dass es brennt und lässt die Fahrgäste in die benachbarten Wagen evakuieren. Zeitgleich wird von der Leitstelle aus vom Normalbetrieb in den sogenannten Ereignisbetrieb umgeschaltet. Noch im Tunnel befindliche Züge müssen diesen so schnell wie möglich verlassen, andere dürfen nicht mehr hineinfahren. Einer oder mehrere der in Erstfeld oder Biasca betriebsbereit stehenden Lösch- und Rettungszüge setzen sich zum Ereignisort in Bewegung. Dafür sind maximal 45 Minuten vorgesehen. Die Tunnelbelüftungsanlage zieht den Rauch ab. In den Querschlägen wird ein Überdruck aufgebaut, um diese rauchfrei zu halten. An den Nothaltestellen werden die Fahrgäste in den Verbindungsstollen gebracht. Dort befinden sich Trinkwasser und diverse Rettungsmittel. Aus dem Regelbetrieb wird ein Zug entnommen und in die nicht betroffene Röhre geschickt, um die Fahrgäste aus dem Tunnel zu transportieren. Eine Evakuierung soll innerhalb von 90 Minuten abgeschlossen sein.[13]

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Fahrzeitgewinne nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels

Ab Dezember 2016 verkürzen sich die Reisezeiten von Zürich nach Lugano um 25 Minuten, von Luzern nach Lugano um 40 Minuten. Wenn ab Mitte 2018 die Bauarbeiten am Zuger See beendet sein werden, werden die Züge nochmals 15 Minuten schneller von Zürich nach Lugano gelangen. Nach der Eröffnung des Cereni-Basistunnels im Jahr 2020 sind weitere Zeiteinsparungen möglich, nämlich jeweils eine Stunde zwischen Zürich und Lugano und zwischen Luzern und Lugano — verglichen mit dem Fahrplan von Anfang 2016.[13]

Gotthard-Basistunnel und Lötschberg-Basistunnel

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Quellenangaben

  1. „Das große Bohren“, mobil, 06/2005, S. 8.
  2. „Gotthard-Basistunnel“, Wikipedia, abgerufen am 24.04.2016.
  3. „Gotthardtunnel – das 57-Kilometer-Technikwunder“, Die Welt, 12.10.2010.
  4. „Gotthard-Basistunnel: 17 Kilometer in einem Jahr“, Eisenbahn-Revue International, 03/2007, S. 121.
  5. „SBB calls tenders for Gotthard high speed trains“, Railway Gazette International, 17.04.2012.
  6. „Bald erste Versuchsfahrten im Gotthard-Basistunnel“, Eisenbahn-Revue International, 12/2013, S. 625.
  7. „Gotthard-Basistunnel – der längste Tunnel der Welt“, InnoTrans 2014 Report, Nr. 2, Mai 2014.
  8. „Stadler remporte le contrat des trains du Gotthard“, Rail Passion, N° 201, Juli 2014, S. 13.
  9. „SBB prepares for Gotthard base tunnel opening“, Railway Gazette International, 01.05.2015.
  10. „Gotthard Base Tunnel freight tests begin“, Railway Gazette International, 18.01.2016.
  11. „Gotthard-Basistunnel“, AlpTransit Gotthard AG Website, abgerufen am 09.08.2015.
  12. „Gigantischer Sog bei Tempo 250 im Gotthard-Tunnel“, Die Welt, 11.04.2014.
  13. „Der neue Gotthardtunnel“, Film: Gotthard Basistunnel, Website der SBB, aufgerufen am 24.04.2016