Schnellfahrstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge in Spanien

Spaniens Schnellfahrstrecken im Überblick

In Spanien befindet sich das zweitgrößte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Es umfasst über 3.402 Streckenkilometer (Stand: Juni 2021), auf denen die verschiedenen Superzüge 250 km/h oder mehr erreichen. Der Grundstein wurde 1992 mit der Eröffnung der ersten Schnellfahrstrecke zwischen Madrid und Sevilla gelegt – einer Normalspurinsel im iberischen Breitspurnetz. In den darauf folgenden zwei Jahrzehnten sprossen die Neubaustrecken wie Pilze aus dem Boden, sogar das TGV-Land Frankreich wurde diesbezüglich überholt. Leider verkalkulierten sich Politiker und die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE heftig, denn die Baukosten stehen heute in keiner Relation zu den Einnahmen durch die Reisenden. Trotz aller Sparzwänge, die seit ein paar Jahren das Land regieren, werden jedoch weiterhin neue AVE-Strecken gebaut.

Die französische Regierung in Paris ließ 2013 verlauten, dass das französische TGV-Netz mittelfristig nicht mit dem spanischen verschmelzen soll – weder auf der Atlanik-Seite noch am Mittelmeer. Die Strecke zwischen Bordeaux in Südwestfrankreich zur spanischen Grenze wurde im neuen Infrastrukturplan als zweitrangig eingestuft. Ebenso die Strecke Montpellier – Perpignan. Damit bleibt das Y-förmige spanische Neubaustreckennetz für die nächsten Jahre eine Insel. Die prognostizierten Fahrgastzahlen sind nicht mehr zu halten und müssen deutlich nach unten korrigiert werden. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich das AVE-Netz auf lange Sicht hält.

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Schnellfahrstreckennetz


Nachfolgend werden die wichtigsten Schnellfahrstrecken in Spanien im Detail vorgestellt.

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Schnellfahrstrecke Madrid – Sevilla (471 km)

Eigentlich sollte die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke in Spanien die Städte Barcelona und Madrid verbinden. Es sind immerhin die beiden größten Städte Spaniens. Man erwartete ein hohes Verkehrsaufkommen. Durch den Zuschlag, die Weltausstellung „Expo 1992“ in Sevilla abzuhalten, schob man die Realisierung der neuen Schnellstrecke nach hinten. Im Oktober 1986 beschloss die Regierung Spaniens den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke von Madrid nach Sevilla. Bisher dauerte die Reise von Spaniens Hauptstadt nach Sevilla auf der 574 Kilometer langen Strecke fast sechs Stunden. Die Spurbreite der Gleise in Spanien liegt größtenteils bei 1668 Millimetern. Logischerweise sollte die erste Neubaustrecke ebenfalls in Breitspur ausgeführt werden. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten an der neuen 471 Kilometer langen Strecke, doch der Dezember 1988 war ein wichtiges Datum im spanischen Eisenbahnwesen: Für die neue Strecke sollte nun die Spurbreite auf 1435 Millimeter reduziert werden, so wie es im übrigen Europa der Fall ist. Da bisher noch keine Gleise verlegt worden waren, stand dieser Entscheidung nichts im Weg. Die Normalspur wurde für die Neubaustrecke aus zwei Gründen gewählt: Zum einen waren die zu beschaffenden Fahrzeuge im Einkauf billiger und schneller lieferbar, da sie nicht umkonstruiert werden mussten, zum anderen – das war der Hauptgrund – sollte die neue Trasse die Keimzelle für ein durch Neubau und Umbau zu schaffendes Normalspurnetz sein.

Eine weitere Besonderheit dieser Neubaustrecke ist die Einführung eines völlig neuen Stromsystems für Spanien. Werden die übrigen elektrifizierten Breitspurstrecken mit 3000 Volt Gleichstrom betrieben, so entschied man sich hier wegen der langen Streckenabschnitte, die durch dünn besiedelte Gegenden führen, und wegen des zu erwartenden Kostenvorteils für Wechselstrom mit 25.000 Volt und 50 Hertz. Somit verfügt die RENFE ein Jahr, nachdem die letzte mit 1500 Volt Gleichstrom betriebene Breitspurstrecke im Baskenland umgestellt wurde, wieder über zwei Stromsysteme.

An beiden Endpunkten, Madrid Atocha und Sevilla Santa Justa, entstanden neue Bahnhöfe. Weil bei hochgespanntem Wechselstrom in dicht bebauten Gebieten Probleme auftreten können, werden in Madrid und Sevilla jeweils die ersten acht Kilometer mit Gleichstrom gespeist. Diese Lösung erleichtert auch die Ausbildung der Oberleitung in den beiden Knotenpunkten. Die AVE-Triebzüge und die E-Loks der Reihe 252 sind infolgedessen als Zweisystemfahrzeuge ausgebildet. Oberbau, Signalsystem, Zugbeeinflussungssystem und Oberleitung stammen aus Deutschland und entsprechen somit den Schnellstrecken, wie sie in Deutschland existieren. Während TGV, ICE und viele andere Hochgeschwindigkeitszüge am Anfang und Ende von Neubaustrecken jeweils auf vorhandene Gleisanlagen überwechseln müssen, ist die Neubaustrecke von Prellbock zu Prellbock hundertprozentig neu.

Abgeschreckt hatte die Politiker die Kostenentwicklung, bei der die Kostenvoranschläge weit überschritten wurden (u.a. wegen des größeren Neubaustreckenanteils, der mangelhaften Abstimmung zwischen den beiden Auftraggebern RENFE und Regierung, sowie wegen Umweltschutzmaßnahmen). Die Strecke verursachte Kosten in Höhe von 2,1 Milliarden Euro und der Bau der Bahnhöfe verschlang nochmals 153,4 Millionen Euro.

Die Hochgeschwindigkeitsstrecke wird größtenteils von AVE-Zügen befahren. Durchgehende Züge legen die 471 Kilometer lange Strecke bei 300 km/h in lediglich 2 Stunden 15 Minuten zurück, was einer beeindruckenden Durchschnittsgeschwindigkeit von 209 km/h entspricht. Ansonsten kommen auch Talgozüge mit Lokomotiven der Baureihe S 252 (Typ Eurosprinter) zum Einsatz. In Madrid, Cordoba und Sevilla befinden sich Umspuranlagen. So können die Talgozüge einen Teil ihrer Fahrt auf der Schnellstrecke zurücklegen, aber beispielsweise auch über Sevilla hinaus nach Malaga fahren. Insgesamt 31 Brücken mit einer Gesamtlänge von 9,8 Kilometern und 17 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 15,8 Kilometern weist die Neubaustrecke auf, die maximale Steigung beträgt 12,5 Promille.

Am Freitag, den 2. April 2004 ist ein Terroranschlag auf einen Zug verhindert worden. An der Neubaustrecke zwischen Madrid und Sevilla wurde an jenem Morgen eine Bombe entdeckt und entschärft. Der Sprengstoff sei vermutlich von der Marke, die auch die Attentäter bei den Anschlägen drei Wochen zuvor in Madrid verwendeten. Der Sprengsatz war mit einem Zünder und einem 136 Meter langen Kabel versehen. Allerdings sei noch kein Auslöser angebracht gewesen. Die Strecke musste für den Verkehr gesperrt und von Experten auf weitere Bomben abgesucht werden. Der spanische Innenminister Angel Acebes hat daraufhin ein neues Sicherheitssystem für das gesamte Eisenbahnnetz angekündigt. Dabei kämen Hubschrauber, geländegängige Fahrzeuge und Panzerwagen der spanischen Armee zum Einsatz.

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Schnellfahrstrecke Barcelona – Madrid (635 km)

1997 kam die Schnellfahrstrecke von Madrid nach Barcelona ins Gespräch. Eine Gesellschaft zur Verwaltung und Wartung der Neubaustrecke wurde gegründet. Sie nennt sich GIF (Gestor de Infraestructuras Ferroviarias). Zuerst sollte die Trasse mit Dreischienengleisen ausgestattet werden, damit sowohl Normalspur- als auch Breitspurzüge darauf fahren könnten. Aus Kostengründen verwarf man diesen Vorschlag jedoch wieder. Die neue Trasse sollte ein Vorzeigeobjekt spanischer Ingenieurskunst sein, um zukünftige Aufträge im Ausland an Land ziehen zu können. Ein Warnsystem erkennt Gegenstände, die von Brücken herunterfallen. Modernste Signaltechnik ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 350 Stundenkilometern im Plandienst. Für die Distanz von Barcelona nach Madrid würden die Hochgeschwindigkeitszüge im Idealfall nur noch zweieinhalb Stunden benötigen, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 254 km/h entspräche. Die Kosten für die Realisierung der Schnellfahrstrecke wurden zu Baubeginn auf 6,6 Milliarden Euro geschätzt.

Im März 2003 fand eine Jungfernfahrt mit Prominenz und Presse statt, um den ersten Abschnitt von Madrid nach Lleida offiziell zu eröffnen. Jedoch musste der Termin gleich wieder verschoben werden: Ein Stück des Gleisbettes einer Parallelstrecke war weggebrochen, spontane Entladungen kappten eine Oberleitung und das Signalsystem funktionierte noch nicht. Anfang Oktober tat sich nur 650 Meter vom Bahndamm entfernt ein Loch mit 8 Metern Durchmesser und 16 Metern Tiefe auf – ein Zeichen, dass die Züge auf instabilem Untergrund fuhren. Umfangreiche Bodenuntersuchungen waren die Folge. Beim bisherigen Abschnitt wurden laut dem Nachrichtenmagazin „taz“ bis Oktober 2003 zirka 84 Prozent der Verträge nicht rechtzeitig erfüllt. Der Preis für den Streckenabschnitt Madrid – Lleida stieg dabei um ein Viertel auf 4,5 Milliarden Euro. Für die restliche Strecke bis Barcelona waren nochmals 4,5 Milliarden Euro veranschlagt.

Am 11. Oktober 2003 ging nun doch der erste Abschnitt der Neubaustrecke offiziell in Betrieb. In der ersten Zeit pendelten täglich vier AVE-Züge der Baureihe S-100 und sechs Züge der Gattung „Altaria“ mit maximal 200 km/h zwischen Madrid und Lleida. Waren früher für diese Distanz zuvor noch 4 Stunden 49 Minuten nötig gewesen, benötigten die Hochgeschwindigkeitszüge trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung lediglich 2 Stunden 40 Minuten. Madrid und Barcelona lagen mit umspurfähigen Zügen nur noch 4 Stunden 40 Minuten auseinander, statt 7 Stunden wie bisher.

Seit dem 20. Februar 2008 kann die komplette Neubaustrecke zwischen Madrid und Barcelona befahren werden. Die schnellsten der 17 Zugpaare pro Tag benötigten für die 635 Kilometer lange Distanz nur 2 Stunden 38 Minuten bei einer Höchstgeschwindigkeit von vorerst 300 km/h. Es handelte sich primär um AVE-Züge der Serie 103, also die spanischen ICE-3-Verwandten. Inzwischen sind auch andere AVE-Bauserien auf der Schnellfahrstrecke anzutreffen. Die Höchstgeschwindigkeit wurde im Oktober 2011 auf 310 km/h angehoben, denn seitdem funktioniert dort das europäische Zugsicherungssystem ETCS Level 2.

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Schnellfahrstrecke Barcelona – Figueres (130 km)

2013 wird die wichtige Schnellfahrstrecke zwischen Barcelona und Figueres für den Personenverkehr freigegeben und damit die letzte Lücke im normalspurigen Hochgeschwindigkeitsnetz geschlossen. 76 Kilometer werden bereits seit 2010 von Güterzügen genutzt. Nördlich von Barcelona und in den Tunneln unter der Stadt Girona finden seit November 2012 die letzten größeren Bauarbeiten statt. Inzwischen prüfen Inspektionszüge die fertiggestellten Abschnitte. Die dynamischen Versuche bei Schnellfahrten und Tests mit dem europäischen Zugbeeinflussungssytem ETCS sollen mit AVE-Zügen der Serie 103 (Typ Velaro) unternommen werden.

Im November 2012 war noch unklar, welche Hochgeschwindigkeitszüge im Plandienst die Neubaustrecke nutzen sollen. Zur Diskussion stehen die AVE S-100, die gerade für das französische Stromsystem von 1,5 kV DC fit gemacht werden. Die französische Staatsbahn SNCF wird wahrscheinlich 10 TGV Duplex Dasye an den Start bringen, die bereits ETCS Level 2 beherrschen und schon heute die Relation Figueres – Paris bedienen. Als Höchstgeschwindigkeit für Personenzüge ist 300 km/h vorgesehen. Langsamere Güterzüge nutzen dann die verschiedenen 750 Meter langen Ausweichstellen entlang der Strecke, damit die Superzüge stets freie Fahrt haben.

Die Herstellungskosten für die Schnellfahrstrecke in Höhe von 4,2 Milliarden Euro trägt die spanische Regierung mit Unterstützung der European Investment Bank.

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