Acela Express Hochgeschwindigkeitszug in den USA

Acela Express 2031 im Bahnhof Boston South Station – 11.03.2012 © Wikipedia-Autor Das48

Acela Express 2031 im Bahnhof Boston South Station – 11.03.2012 © Wikipedia-Autor Das48

TGV gegen ICE und X2000

Gerade in den USA hätte man einen Hochgeschwindigkeits-Schienenverkehr erwartet. Schließlich wäre genug Platz für Schnellstrecken vorhanden. Dennoch hat sich die Bahn dort bisher nie richtig durchsetzen können. Vielmehr nehmen Reisende das Flugzeug oder den Bus. Lediglich der Güterverkehr bietet den dortigen Eisenbahngesellschaften einen Ertrag. Die Gleise sind oft in einem sehr schlechten Zustand, weshalb trotz technischer Leistungsreserven der vorhandenen Züge bis in die Neunzigerjahre kein Hochgeschwindigkeitsverkehr stattfand. Doch die Eisenbahngesellschaft Amtrak liebäugelte schon länger mit schnellen Zügen. Kandidaten waren der deutsche Transrapid, der ICE, der schwedische X2000 und der französische TGV. Ein ICE-1-Zug und ein X2000 wurden sogar für Werbezwecke nach Amerika verschifft! Zuerst zeigte der X2000, was in ihm steckte und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 276 km/h. Vom 17. Juli 1993 bis 3. Oktober war der „ice-train“ auf Amerika-Tournee. Danach stand er bis Dezember 1993 im Metrolinerdienst zwischen Washington und New York. Auch der ICE fuhr mit 260 km/h für die USA rekordverdächtige Geschwindigkeiten.

Dennoch bekam aufgrund des Designs und des besten Preisangebotes Bombardier den Auftrag für den Bau von 20 Zügen mit Neigetechnik. Bombardier hatte die Rechte an den französischen TGV-Zügen durch Alstom inne, sodass im Prinzip der TGV „siegte“. Am 15. März 1996 durfte Bombardier mit dem Bau der 20 Garnituren beginnen. Damals sprach man noch vom „American Flyer“. Später taufte Amtrak die Züge auf den Namen „Acela“ – ein Kunstwort aus den Begriffen „acceleration“ und „excellence“. Die meisten Komponenten wurden in den USA gefertigt. Lediglich Traktionskomponenten und Teile von Drehgestellen kamen aus Frankreich. Somit ist der Acela nur ein sehr entfernter Verwandter des TGV. Anfang 1999 kam es zu Problemen, weil die Züge zehn Zentimeter breiter als geplant gebaut wurden. Damit reduzierte sich die maximale Neigung in den Kurven von geplanten 6,5 Grad auf 2,4 Grad. Die ersten Tests fanden im Sommer 1999 im Colorado Transportation Center statt. Natürlich mussten auch die Gleise für die Höchstgeschwindigkeit von 150 mph (entspricht 240 km/h) vorbereitet werden. Der Oberbau wurde an einigen Stellen erneuert und zudem der Abschnitt New York – Boston elektrifiziert.

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Acela Express Inneneinrichtung

Eine Acela-Garnitur besteht aus einem Wagen erster Klasse, einem Barwagen und vier Zweitklasswagen. An den Zugenden befinden sich die beiden Triebköpfe. In der 1. Klasse finden die Fahrgäste eine 2+1-Bestuhlung vor. Hier können sich die Passagiere mit Videos die Reisezeit verkürzen und sich das Essen an ihren Sitzplatz bringen lassen. Audiomodule mit drei Programmen sowie Steckdosen an jedem Sitzplatz sind dagegen in beiden Wagenklassen installiert. Mit einer 2+2-Bestuhlung geht es in der 2. Klasse etwas enger zu. Im Bistro stehen 34 Hocker als Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Über das Konferenzabteil mit Fax-, Kopier- und Druckmöglichkeiten dürften sich in erster Linie Geschäftsreisende freuen. Ebenso wurde an körperbehinderte Personen gedacht. So ist der ganze Zug für Rollstuhlfahrer zugängig, auch die Telefone können ohne fremde Hilfe von behinderten Fahrgästen erreicht werden.

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Technik

Der Acela Express kommt mit drei verschiedenen Stromsystemen zurecht, wobei er in der Lage ist, bei voller Geschwindigkeit von einem zum anderen Stromsystem zu wechseln. In den Triebköpfen steckt die gleiche Traktionstechnik wie im TGV-Réseau. Die Motoren sind jedoch asynchron und geben beim Bremsen wieder Energie ins Netz zurück. Die Wagen ähneln denen des TGV, sind aber um ganze 45 Prozent schwerer. Spezielle Knautschzonen in den Triebköpfen erhöhen die Sicherheit der Fahrgäste und des Fahrers im Falle eines Unfalls. Die hydraulische Neigetechnik stammt aus dem Hause Bombardier und hat sich bereits in den sogenannten LRC-Zügen (light, rapid, comfortable) bewährt. Nur die Mittelwagen können sich neigen, nicht die Triebköpfe! Die volle Funktionalität wird ab einer Geschwindigkeit von zirka 100 km/h erreicht.

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Einsatz

Mit 14 Monaten Verspätung fuhren ab dem 11. Dezember 2000 die ersten beiden Züge einmal täglich von Washington (DC) nach New York. Die Reisezeit betrug 3 Stunden. Von dort aus ging es in 3 Stunden 23 Minuten nach Boston. Nur auf dieser Strecke wird die volle Geschwindigkeit erreicht, ansonsten liegt die Maximalgeschwindigkeit bei zirka 200 km/h. Am selben Tag fuhr der Zug wieder zurück nach Washington. Im Sommer 2001 sollten alle 20 Züge ausgeliefert sein, sodass täglich 19 Züge von Washington nach New York und retour, sowie 10 Züge von New York nach Boston und zurück hätten fahren können. Tatsächlich legten die Hochgeschwindigkeitszüge zuerst einen guten Start hin. Bereits im Februar 2001 war zu lesen, dass mehr Fahrgäste, höhere Einnahmen und pünktliche Abfahrts- und Ankunftszeiten zu verzeichnen waren. Die Fahrzeit zwischen Washington und New York schrumpfte inzwischen gar auf 2 Stunden 28 Minuten. Nach den Terroranschlägen im September 2001 bevorzugten noch mehr Reisende den Zug, anstatt wie bisher das Flugzeit zu nutzen.

Acela Express Streckennetz – Washington – New York City – Boston (North-East-Corridor)

Doch Anfang 2002 häuften sich die Mängel an den Superzügen und die Verfügbarkeit sank von 85 Prozent im Januar 2002 auf nur noch 75 Prozent im Juli. Im Sommer 2002 meldeten Techniker dann Probleme an den Aufhängungen der Schlingerdämpfer. Bombardier wurde in die Pflicht genommen, die Schwierigkeiten zu beseitigen. Einige Acela-Express-Züge wanderten für kurze Zeit auf das Abstellgleis. Zwischenzeitlich musste bei jedem Zug ein Techniker mitfahren, um eventuell auftretende Probleme schneller beheben zu können. Leider waren die Störfälle weiterhin unterschiedlicher Natur und damit einher selten schnelle Lösungen in Sicht. Als die Auslieferung der 19. Garnitur anstand, weigerte sich Amtrak, diese zu übernehmen. Stattdessen solle Bombardier 18 große und 80 kleine Änderungen an den letzten beiden Zügen vornehmen. Im November 2002 verklagte Amtrak Bombardier und Alstom auf 200 Millionen Dollar Schadensersatz wegen der verspäteten Inbetriebnahme und weil „bis dato kein Zug den Anforderungen entsprechen würde“. Wie es in dieser Hinsicht weiter gegangen ist, ist mir jedoch nicht bekannt. Offensichtlich bekam man die Schwierigkeiten in den Griff, denn die Züge stehen inzwischen wieder in gutem Ruf, sowohl bei Amtrak als auch bei den Reisenden.

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Zukunftsaussichten

Amtrak freute sich in den letzten 10 Jahren über stetig steigende Fahrgastzahlen. Doch die 20 Acela-Hochgeschwindigkeitszüge mit jeweils sechs Mittelwagen stoßen inzwischen an ihre Kapazitätsgrenzen. Man trug sich mit dem Gedanken, weitere Mittelwagen in jede Garnitur einzufügen, doch diese Maßnahme sei teuer und es wären technische Hürden zu bewältigen. Stattdessen ließ Amtrak im Dezember 2012 verlauten, die Acela-Züge mittelfristig durch komplett neue Hochgeschwindigkeitszüge zu ersetzen – den Avelia Libery (Acela II). So sollen die neuen Fahrzeuge nicht nur mehr Sitzplätze zur Verfügung stellen, sondern auch einen besseren Komfort bieten. Außerdem wird eine Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h anvisiert. Parallel zur Beschaffung neuer Superzüge ist eine Neubaustrecke für 350 km/h im Gespräch, um bis zu 40 Millionen Fahrgäste pro Jahr befördern zu können.

Weblink zum Acela

Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:Acela Express
Einsatzland:USA
Hersteller:Bombardier / Alstom
Anzahl der Züge:20 Züge
Zugtyp:Triebzug
Anzahl der Triebköpfe:2 Triebköpfe
Anzahl der Mittelwagen:6 Mittelwagen
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:44 / 260 / --- (304 insg.)
Baujahre:1996–2000
Inbetriebnahme:11.12.2000
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):11,5 kV / 25 Hz
12,5 kV / 60 Hz
25 kV / 60 Hz
Zugleitsystem(e):2-Frequenz Signal-System
ATC (Automatic Train Control)
ACSES
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:264 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:240 km/h
Motoren:8 Asynchronmotoren
Antriebsleistung des Zuges:9.200 kW
Anfahrzugkraft:225 kN
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Ja ( 6.5° )
Zug fährt auch in Traktion:Nein
Achsformel:Bo'Bo'+2'2'+2'2'+2'2'+2'2'+2'2'+2'2'+Bo'Bo'
Länge / Breite / Höhe der Triebköpfe:12.220 / 3175 / --- mm
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen:26.650 / 3162 / --- mm
Leergewicht:566 t
Zuglänge:203 m

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