Schnellfahrstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge in Spanien

Spanien: Zweitlängstes Schnellfahrstreckennetz der Welt

In Spanien befindet sich nach China das zweitgrößte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Die Gesamtlänge aller Schnellfahrstrecken – der sogenannten „Líneas de alta velocidad“ –, auf denen die Superzüge zwischen 250 und 310 km/h erreichen können, betrug im Sommer 2024 genau 3.966,7 Kilometer.[1] Der Grundstein wurde 1992 mit der Eröffnung der ersten Schnellfahrstrecke zwischen Madrid und Sevilla gelegt – einer Normalspurinsel im iberischen Breitspurnetz.[2] In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten boomte der Bau von neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken. Leider verkalkulierten sich Politiker und die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE, denn die Baukosten stehen heute in keiner Relation zu den Einnahmen.[3] Trotzdem expandierte das Schnellfahrstreckennetz weiter – wenn auch in gemäßigterem Tempo.[4]

zum Anfang scrollen

Spurweiten, Strom- und Zugsicherungssysteme der „Líneas de alta velocidad“

Normalspur, Breitspur, Dreischienengleise

Die Gleise der meisten Neubaustrecken haben eine Spurweite von 1435 mm und entsprechen damit der europäischen Norm. Das erleichterte die Fahrzeugbeschaffung und begünstigt internationale Verkehre von und nach Frankreich.[2] Auf normalspurigen Schnellfahrstrecken verkehren in erster Linie Züge der Gattung AVE (Alta Velocidad Española) mit bis zu 310 km/h.[5] Darüber hinaus gibt es 250 km/h schnelle Regional-Hochgeschwindigkeitszüge, die als Avant mehr Zwischenhalte einlegen.[6] Um auch kleinere Städte mit Hochgeschwindigkeitszügen zu erreichen, müssen diese ins iberische Breitspurnetz wechseln können. Dafür sind die Hochgeschwindigkeitszüge der Kategorie Alvia geeignet. Sie durchfahren sogenannte Umspuranlagen.[7] In kurzer Zeit können sie vollständig ohne Lokomotivwechsel zwischen 1435 und 1668 mm umgespurt werden. Eine Besonderheit sind Streckenabschnitte mit Dreischienengleisen. Solange die Neubaustrecke noch nicht fertiggestellt ist, können sich Hochgeschwindigkeitszüge das Gleis mit konventionellen Breitspurzügen teilen.[6] Es gibt aber auch rein breitspurige Rennstrecken. Diese sind dort zu finden, wo das Breitspurnetz dominiert und vorerst kein Anschluss an das AVE-Netz vorgesehen ist.

Die Stromversorgung der Hochgeschwindigkeitszüge

Auf Schnellfahrstrecken werden die Züge mit einer Oberleitungsspannung von 25 kV 50 Hz versorgt. Die Oberleitung entlang herkömmlicher Trassen wird jedoch mit 3 kV DC gespeist.[8] Daher können viele Hochgeschwindigkeitszüge mit beiden Stromsystemen betrieben werden. Garnituren der umspurbaren Baureihe 730 sind sogar in der Lage, mit zusätzlichen Dieselgeneratoren auch auf nicht elektrifizierten Strecken zu verkehren. Sie befinden sich in Transformatorwagen hinter den Triebköpfen.[9]

Zugsicherungssysteme LZB, ETCS Level 2 (ERTMS) und ASFA

Die erste Schnellfahrstrecke zwischen Madrid und Sevilla wurde mit der deutschen „Linienzugbeeinflussung“ (LZB) ausgerüstet.[2] Bereits für die zweite Rennstrecke, zwischen Madrid und Barcelona, nutzte man das „Europäische Zugsicherungssystem“ (ETCS Level 2), das in Verbindung mit dem Zugfunk auch ERTMS genannt wird. Als Rückfallebene wird „ASFA“ verwendet, also das spanische Pendant zur deutschen „Punktförmigen Zugbeeinflussung“ (PZB).[10] Im Jahr 2023 wurde die komplette Schnellfahrstrecke Madrid – Sevilla grundlegend modernisiert. Das betraf nicht nur den Oberbau und die Gleisanlage, sondern auch die Zugsicherung. Nun können die Superzüge auch dort mit ETCS Level 2 verkehren.[11]

zum Anfang scrollen

Internationale Züge in Spanien und im grenzüberschreitendem Verkehr

Die Liberalisierung des Schienenverkehrs in Europa soll dafür sorgen, dass das Reisen mit Hochgeschwindigkeitszügen komfortabler und günstiger wird. Auch in Spanien treten Züge aus dem Ausland in Konkurrenz zur heimischen Hochgeschwindigkeitszug-Flotte. Der französische Anbieter „Ouigo“ setzt seit 2021 TGV-Euroduplex-Garnituren auf lohnenden Verbindungen ein. ILSA ist ein Bahnbetreiber, zu dem auch Trenitalia gehört. Unter der Marke „iryo“ rollen seit 2022 Hochgeschwindigkeitszüge der Serie AVE S-109 auf verkehrsstarken Strecken durch Spanien.[12] Der spanische Bahnbetreiber RENFE kreierte die Marke „avlo“, um sich im Niedrigpreissegment gegen seine Mitbewerber auf der Schiene behaupten zu können.[13] Statt zu konkurrieren, kann man auch kooperieren. Durch die Fertigstellung der Schnellfahrstrecke Barcelona – Girona – Figueres war es ab 2013 möglich, mit TGV-Zügen von Frankreich nach Barcelona vorzustoßen.[14] AVE-Züge konnten im Gegenzug bis nach Toulouse, Marseille und Lyon fahren.[15] Finanzielle Engpässe verursachten 2013 aber auch Spannungen zwischen den Bahnbetreibern Spaniens und Frankreichs. Die geplanten Verbindungen beider Hochgeschwindigkeitsnetze am Atlantik und am Mittelmeer sollten Sparplänen geopfert werden.[16] Die Vereinbarung zwischen der spanischen Eisenbahngesellschaft RENFE und der französischen SNCF über den gemeinsamen Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen von Madrid und Barcelona nach Paris lief Ende 2022 aus.[17] Im Gegensatz zur SNCF ist die RENFE aber noch an internationalen Verbindungen nach Marseille interessiert.[18] Die neuesten Zügen der Serie 106 werden pünktlich zur Olympiade von Spanien nach Frankreich rollen.[19]

zum Anfang scrollen

Streckennetzkarte AVE, Avant, Alvia, Avlo, iryo, Ouigo


zum Anfang scrollen

Quellenangaben

  1. „Red de Alta Velocidad“, ADIF Website, abgerufen am 01.07.2024.
  2. „Mit Tempo 250 zur Expo ’92“, Eisenbahn Magazin 6/92, S. 24–26.
  3. Kaspar P. Woker: „Schlecht ausgelastetes AVE-Netz in Spanien“, Eisenbahn-Revue International, 12/2013, S. 622–624.
  4. „The Spanish High Speed Rail Netword: A Success Story“, Website Thales Group, abgerufen am 91.06.2024.
  5. „Madrid – Barcelona at 310 km/h with ETCS Level 2“, Railway Gazette International, 18.10.2011.
  6. „Vom Boom in die Krise?“, Eisenbahn Magazin 09/2011, S. 26–29.
  7. „Valladolid – León high speed line opens“, Railway Gazette International, 30.09.2015.
  8. „Spanien: Breitspur-TGV ‚Euromed‘ am Start“, Eisenbahn Magazin 12.1996, S. 5.
  9. „RENFE and Talgo present first refurbished Class 730“, Railway Gazette International, 07.04.2022.
  10. „A cascade of journey time reductions“, International Railway Journal, 04/2004, S. 33–35.
  11. „Renovación integral de la LAV Madrid-Sevilla“, Website von ADIF, Pressemitteilung 2023.
  12. Kaspar P. Woker: „Spanien: Schienennetz – Aufruf zur Liberalisierung 2.0“, Lok-Report, 31.08.2023.
  13. „RENFE to launch Avlo low-cost high speed rail for everyone“, Railway Gazette International, 11.12.2019.
  14. „Eröffnung internationaler HGV Frankreich – Spanien!“, ICE-Treff, Meldung von JumpUp, 02.01.2013.
  15. „Renforcement de la desserte TGV France – Espagne“, Rail Passion 08/2014, S. 15.
  16. Ralf Streck: „Frankreich lässt unrentable spanische Hochgeschwindigkeitszüge hängen“, Telepolis, 11.07.2013.
  17. „SNCF und Renfe werden den gemeinsamen Betrieb des AVE zwischen Barcelona und Paris einstellen“, ARENA-Online, 19.11.2022.
  18. „RENFE establishes French subsidiary“, Railway Gazette International, 14.06.2023.
  19. „Renfe’s ultra-modern high-speed train arrive in France“, MOBI-News, 25.04.2024.