Velaro Novo: Der künftige ICE von Siemens

Velaro Novo Designstudie – 13.06.2018 © www.siemens.com/presse
Velaro Novo Designstudie – 13.06.2018 © www.siemens.com/presse

Wozu eine neue ICE-Generation?

Die Velaro-Plattform von Siemens ist eine internationale Erfolgsgeschichte geworden. Hochgeschwindigkeitszüge dieses Typs sind nicht nur in Deutschland und im benachbarten Ausland als verschiedene ICE-3-Baureihen unterwegs; sie rollen auch in Spanien (AVE S-103), Russland (Sapsan), China (CRH3C und CRH380B), in der Türkei (HT 80001) sowie als Eurostar e320 in England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Dennoch muss Siemens technologisch am Ball bleiben, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. „Rasant steigende Rohstoff- und Energiepreise verändern dramatisch den Einkauf der DB“[1], war schon 2008 zu beklagen. „Viele Einsparpotentiale sind ausgereizt“, hieß es in dem Bericht der Deutschen Bahn weiter. Tickets müssen zum Kampfpreis angeboten werden, um im liberalisierten Verkehrsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.[2] In Frankreich und Spanien beispielsweise gibt es bereits sogenannte „Bahn-Low-Cost-Angebote“[3], doch dazu müssen sowohl bei der Herstellung der Hochgeschwindigkeitszüge als auch im regulären Betrieb Kosten eingespart werden.

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Siemens entwickelte den Velaro Novo

„Der Velaro Novo ist unsere Antwort auf globale Anforderungen im Hochgeschwindigkeitsverkehr“[4], bewarb Siemens im Juni 2018 sein neues Fahrzeugkonzept für Hochgeschwindigkeitszüge, in dem bis dato fünf Jahre Entwicklungsarbeit steckten. Bei dem Entwurf des Velaro Novo wurde der Fokus auf Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit gesetzt. Im Vergleich mit der bisherigen Velaro-Familie soll der künftige Hochgeschwindigkeitszug durch eine neuartige Leichtbaukonstruktion 15 Prozent leichter werden, was wiederum den Energieverbrauch um 30 Prozent senken soll.[3] Ein wichtiger Faktor dabei spielt die Aerodynamik. Die Drehgestelle sind nun schmal genug, um verkleidet zu werden – seitlich und unter dem Fahrzeug.[5][6] Die strömungstechnisch weiter optimierten Endwagen mit einer stärker geneigten Frontfläche, bündige Wagenübergänge und eine ebenere Dachverkleidung reduziert den Luftwiderstand.[2] Gleichzeitig wird der neue ICE etwa 10 Prozent mehr Fahrgäste transportieren können als die bisherigen ICE-3-Züge, denn die meiste technische Ausstattung soll in die Decke verlagert werden. „Die Wagenkästen folgen dem Prinzip der leeren Röhre“.[3] Es werden also keine festen Einbauten vorhanden sein, was die Innenraumgestaltung unnötig einschränken würde. Nicht nur im Betrieb soll der neue Zug wirtschaftlich sein, sondern auch in der Wartung. Durch modernste Mess- und Sensorentechnologie am und im Zug können Instandhaltungskosten gesenkt werden. Den neuen ICE soll es in einer 250 km/h schnellen Variante geben, aber auch als würdiger Nachfolger des ICE 3 mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h.[3]

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Präsentation des Velaro Novo

Siemens präsentierte seinen neuesten Spross zuerst im Bahnwerk Krefeld.[7] Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen kompletten Zug, sondern nur um einen weiß-blauen Mittelwagen mit Wellenmuster und der Aufschrift #seeitnovo sowie der Webadresse von Siemens. Der Mittelwagen ist mit 28,75 Metern um rund 3 Meter länger als üblich. Um eine 202 Meter lange Garnitur zu bilden, sind nur 7 statt 8 Wagen nötig. Auf der Bahnmesse InnoTrans, die im Herbst 2018 in Berlin stattfand, wurde der Velaro Novo jedoch nur in einer digitalen Inszenierung vorgestellt.[3]

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Novo-Testwagen im ICE-S unterwegs

DB Systemtechnik unternahm mit dem Novo-Testwagen ab April 2018 zuerst im lokbespannten Zugverbund Versuchsfahrten. Im Frühsommer baute man ihn in die Mitte des ICE-S ein. Der fünfteilige Experimentalzug erreichte kurze Zeit später bereits 331 Stundenkilometer.[5] Im Novo-Testwagen befand sich ein Messlabor, dass eine Fülle von Messergebnissen analysieren und auswerten musste, die von zahlreichen Sensoren im, am und unter dem Zug von Sensoren erzeugt wurden. Große Beachtung schenkte man dem Verhalten des Wagenkastens, dem Laufverhalten der Drehgestelle und dem Zusammenspiel vom Rad-Schiene-System.[8] Während des Versuchsprogramms wurden kontinuierlich Veränderungen an verschiedenen Parametern vorgenommen. Man ließ den Novo-Testwagen bewusst nicht nur in einer einzigen Ausführung fahren. Erst dann konnte festgestellt werden, welche Lösungen sich als robust herausgestellte und in die Serienzüge einfließen kann.[9] 2021 gab Siemens Mobility auf seiner Website an, dass mit dem Novo-Testwagen bereits 120.000 Kilometer abgespult worden sind, bei einer Maximalgeschwindigkeit von 360 Stundenkilometern.[10] Da bei der Sichtung des ICE-S auf der Schnellfahrstrecke Wendlingen – Ulm der Novo-Testwagen fehlte, kann davon ausgegangen werden, dass das Messprogramm mit den Novo-Testwagen vorerst abgeschlossen ist.[11]

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DB schreibt neue ICE-Generation aus

Bereits im November 2022 beauftragte die Deutsche Bahn AG sowohl Alstom als auch Siemens mit der Entwicklung zweier unabhängiger Fahrzeugkonzepte für eine neue, fünfte ICE-Generation. Dabei brachte die DB ihre Expertise als Betreiberin ihrer bisherigen ICE-Flotte ein. Am 15.12.2023 startete die DB nun eine zweite Ausschreibung. Diese beinhaltet die Entwicklung, den Bau und die Zulassung einer neuen Zugflotte, die Anfang der 2030er-Jahre zum Einsatz kommen soll. Die neuen Hochgeschwindigkeitszüge sollen mit einem neuen Innenraumkonzept und möglichst vielen stufenlosen Einstiegen bei den Fahrgästen punkten. Die DB legt ebenso viel Wert auf Energieeffizienz und technische Zuverlässigkeit. Der Rahmenvertrag sieht 95 maximal 400 Meter lange, einstöckige Garnituren für 300 km/h oder mehr vor. Ein Langzug soll rund 940 Sitzplätze bieten. Vorerst möchte die Deutsche Bahn 33 Hochgeschwindigkeitszüge bestellen. Die neue ICE-Generation soll die ältesten ICE-Baureihen 401 und 403/406 ersetzen.

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Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:Velaro Novo
Daten entnommen aus [12]
Hersteller:Siemens
Zugtyp:Triebwagenzug
Anzahl der Endwagen:2 Endwagen
Anzahl der Mittelwagen:5 Mittelwagen
Spurweite:1435 mm
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:360 km/h
Antriebsleistung des Zuges:8.000 kW
Anfahrzugkraft:275 kN
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Nein
Zug fährt auch in Traktion:Ja
Leergewicht:420 t
Zuglänge:202 m

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Quellenangaben

  1. „Strategien für bessere Preise“, bahntech – Das Technik Magazin der Deutschen Bahn, Ausgabe 2/2008, S. 24.
  2. Matthias Gastel: „Die neue ICE-Generation?“, Interview mit Michael Kopp, Programm Director Velaro Novo bei Siemens Mobility, 31.01.2021, ergänzt 01.03.2021.
  3. TGV Ouigo, iryo, AVLO.
  4. „Siemens präsentiert den neuen Hochgeschwindigkeitszug ‚Velaro Novo‘“, Siemens Presse, 13.06.2018.
  5. „Siemens reveals Velaro Novo high-speed train concept”, International Railway Journal, 13.06.2018.
  6. „Velaro Novo – Experteninterview mit Martin Krause zur Aerodynamik“, Siemens Mobility GmbH, abgespeichert im Dezember 2019.
  7. „Der neue ‚ICE‘ ist gut wie nie – und wird nicht in Deutschland fahren“, WELT, 13.06.2018.
  8. Prof. Dr. Sabina Jeschke: „Mit Tempo 360 auf Velaro-Novo-Messfahrt“, LinkedIn, veröffentlicht am 16.12.2020.
  9. „Velaro Novo – Experteninterview mit Rene Trosiner zum #seeitnovo-Testwagen“, Siemens Mobility GmbH, abgespeichert im Dezember 2019.
  10. „Velaro Novo – Die Zukunft der Züge und des Hochgeschwindigkeitsverkehrs gestalten“, Siemens Mobility Global, 2011.
  11. „‚S‘ wie Speed – Der Hochgeschwindigkeitsmesszug der DB“, Deutsche Bahn, Aktuelles, abgerufen am 30.09.2022.
  12. „Neuer Hochgeschwindigkeitszug: Siemens stellt Velaro Novo vor“, Zugreiseblog von David, 22.06.2018.
  13. „Germany: Two-stage tender to choose DB’s next high speed fleet“, Railway Gazette International, 13.09.2022.
  14. „Neue ICE-Generation: DB beauftragt Alstom und Siemens mit Konzeptentwicklung“, DB Presseinformation, 15.11.2022.
  15. „ICE der Zukunft: DB startet Ausschreibung“, DB Presseinformation, 15.12.2023.