Shinkansen Serie 300 – Hochgeschwindigkeitszug in Japan

Shinkansen Serie 300 – 28.05.2009 © Wikipedia-Autor Scfema
Shinkansen Serie 300 Fahrgastraum –  © Photobucket
Shinkansen Serie 300 der JR West als Hikari zwischen Okayama und Aioi. – 08.10.2008 © Wikipedia-Autor Mitsuki-2368

Um den rigiden Umweltschutzauflagen auch bei deutlich höheren Geschwindigkeiten Paroli bieten zu können, startete man bereits während der Herstellung der Baureihe 100 mit einer Machbarkeitsstudie für einen von Grund auf neuen Hochgeschwindigkeitszug. 1990 lieferten Kawasaki, Nippon Sharyo und Hitachi einen 16-teiligen Prototypen der Baureihe 300 an die Bahn ab. Die Unterschiede zu seinen Vorgängern der Serien 0 und 100 waren unübersehbar und eindrucksvoll zugleich.[1]

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Aerodynamische Gestaltung der Shinkansen-Serie 300

Das Hauptziel war die Optimierung des Luftstromes um den Zug, denn die Luftverwirbelungen machen das Gros der Lärmemissionen aus. Der neue Shinkansen wies eine wesentlich niedrigere Bauhöhe aus. Ganze 3650 Millimeter konnten eingespart werden, indem die Klimaanlage und andere elektronische Komponenten in den Unterflurbereich der Züge wanderten. Das begünstigte zum einen natürlich die Fahrqualität, da sich der Schwerpunkt nach unten verlagerte. Zum anderen verdrängte der Zug wegen seines geringeren Wagenquerschnitts weniger Luft. Für europäische Verhältnisse hatte der Shinkansen der Baureihe 300 eine gewöhnungsbedürftige Kopfform, die einem in Längsrichtung halbierten Geschoss entsprach – dem damaligen Optimum an Aerodynamik. Bündig eingepasste Fenster und Türen reduzierten ebenfalls wirksam Luftverwirbelungen. Heraus kam also ein Zug mit einem besonders niedrigen cw-Wert von 0,11, im Vergleich zu 0,15 (Serie 100) und 0,2 (Serie 0). Eine weitere Geräuschquelle sind die Stromabnehmer. Das Gestänge erzeugt bei hohen Geschwindigkeiten ein durchdringendes Pfeifen. Anströmhauben schafften hier wirkungsvoll Abhilfe, auch wenn darunter das optische Erscheinungsbild leiden musste.[1][3]

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Die technischen Werte der Shinkansen-Baureihe 300

Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Ingenieure der Reduzierung des statischen Gewichts. Je leichter ein Zug ist, umso weniger Verschleiß entsteht an Schienen und Oberbau. Daher verwendeten die Hersteller erstmals ausschließlich Aluminium für den Wagenkasten-Rohbau. Ein Novum waren die wiegenlosen Drehgestelle, deren Räder auf Hohlachsen angeflanscht waren. Sie brachten nur noch 6,6 Tonnen auf die Waage – eine Gewichtseinsparung von jeweils 32 Prozent. Der Verzicht auf Doppelstockwagen, leichtere Sitze, kleinere Motoren und andere technische Miniaturisierungen machten die Shinkansen-Serie 300 zu einem Leichtgewicht unter den Hochgeschwindigkeitszügen. Eine 16-teilige Garnitur wog lediglich 710 Tonnen bei einer durchschnittlichen Achslast von sagenhaften 11 Tonnen. Der maximale Achsdruck lag bei 13 Tonnen und unterbot den allgemein gültigen Wert von 17 Tonnen spielend.[1]

Ansonsten wurde im neuen Shinkansen alles verbaut, was damals dem Stand der Technik entsprach: Drehstrom-Asynchronmotoren mit jeweils 300 kW gaben dem Zug eine Gesamtleistung von 12.000 Kilowatt. Das Beschleunigungsverhalten entsprach mit 0,44 m/s2 dem der Serie 100. Die verschleißunabhängige Wirbelstrombremse übernahm man von der Vorgängergeneration. Eine Neuerung dagegen war die lastabhängige Rekuperationsbremse mit Energierückspeisung ins Stromnetz. Die Serienzüge unterschieden sich allerdings in ein paar Punkten vom Versuchszug: Bei diesem sahen die Windschutzscheiben anders aus, er hatte anders gestaltete Spitzenlichter und das vorderste Drehgestell war verkleidet. Der Prototyp wurde mit fünf Stromabnehmern ausgestattet, bei den Serienzügen waren nur noch drei, später sogar nur zwei Pantographen nötig.[4]

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Inneneinrichtung der Shinkansen-Serie 300

Die Gewichtseinsparungen machten sich natürlich auch im Fahrgastbereich bemerkbar. Es wurden neuartige Sitze entwickelt, die im Vergleich zu den Sitzen in der Serie 100 nur noch die Hälfte wogen. Trotzdem boten sie einen höheren Komfort und konnten immer noch in Fahrtrichtung gedreht werden. Leider fielen die Speisewagen zugunsten zweier Kioske pro Zugverbund weg. Der Anteil der 1. Klasse stieg auf 200 Sitzplätze. Insgesamt 1323 Reisende fanden in einem 16-teiligen Shinkansen der Baureihe 300 Platz.[1]

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Einsatz der Shinkansen-Serie 300

Ganz unproblematisch war die Integration der neuen Shinkansen-Baureihe 300 nicht, schließlich mussten die 270 km/h schnellen Superzüge zwischen den langsameren, älteren Baureihen Platz finden, ohne von diesen ausgebremst zu werden. Doch durch den Ausbau des Zugsteuerungssystems und einer geschickten Fahrplanerstellung lösten die Japaner das Problem.[2]

Im März 1992 integrierte die Eisenbahngesellschaft JR Central die ersten drei Garnituren in den Fahrplan. Zwei Zugpaare pendelten als Nozomi täglich zwischen Tokio und Osaka. Doch die Laufruhe war alles andere als befriedigend. Starke Vibrationen zwangen zu Umbauarbeiten an den Leichtbau-Wagenkästen. Außerdem wäre es beinahe zu einem ernsten Zwischenfall gekommen, als im Mai 1992 ein Antriebsmotor riss und die Bremsleitung durchtrennte. Doch zum Glück gab es keine Verletzten zu beklagen und es blieb bei dieser einzigen Panne.[2] Ein Jahr später dehnte sich der Aktionsradius auf die Relation Tokio – Hakata aus. 1998 standen 66 Züge dieser Baureihe zur Verfügung. Damit verdrängten sie die Serien 100 aus dem Hikari- in den „langsamsten“ Kodama-Dienst. Das bedeutete wiederum das Ausscheiden der meisten Shinkansenzüge der Baureihe 0.[4]

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Shinkansen-Netz

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Varianten der Serie 300

Drei Varianten der Baureihe 300 wurden hergestellt. 1990 erschien der 16-teilige Vorserienzug „J0". Nach dem umfangreichen Testprogramm wurde er zu dem Serienzug „J1“ umgebaut. Ab 2001 nutzte JR Central ihn jedoch wieder als Versuchszug, um das neue digitale Zugsicherungssystem ATC zu testen. Im März 2007 wurde die Einheit ausgemustert. Allein ein Endwagen blieb von der Verschrottung verschont und ist im „SCMaglev and Railway Park“ in Nagoya ausgestellt.[4]

Die ab 1992 eingesetzten Serienzüge erhielten die Bezeichnung „J2“ bis „J61“ und standen im Dienst von JR Central. Zug „J59“ wurde 1998 mit neuartigen Ein-Arm-Stromabnehmern ausstaffiert, die später in der Baureihe 700 Anwendungen fanden. Bis 2002 versah man alle „J“-Varianten mit neuen Pantographen. Außerdem sollen Mitte der Zweitausender Jahre sowohl eine vibrationsärmere Sekundärfederung als auch Vibrations-Kontrolleinheiten eingebaut worden sein. Zwischen 1992 und 1993 erhielt JR West neun Züge der Baureihe 300 – die sogenannten „F“-Versionen. Ab 1999 eroberte die neue Baureihe 700 sukzessive die schnellen Nozomi-Dienste. Als Hikari oder Kodama verkehrten die Shinkansen Serie 300 noch bis zum Frühjahr 2012 auf den Tokaido- und Sanyo-Shinkansen. Danach wurden alle 70 Garnituren außer Dienst gestellt.[4]

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Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:Baureihe 300
Einsatzland:Japan
Hersteller:Hitachi Ltd.
Kawasaki Heavy Industries
Kinki Sharyo
Nippon Sharyo
Anzahl der Züge:70 Züge
Anzahl der Züge im Detail:61 für JR Central, 9 für JR West
Zugtyp:Triebwagenzug
Anzahl der Endwagen:2 Endwagen
Anzahl der Mittelwagen:14 Mittelwagen
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:200 / 1123 / ---
Baujahre:1990–1998
Inbetriebnahme:März 1992
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV / 60 Hz
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten:325.7 km/h
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:300 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:270 km/h
Motoren:40 TMT3 Drehstrom-Asynchronmotoren
Antriebsleistung des Zuges:12.000 kW ( 40 x 300 kW )
Beschleunigung des Zuges:0,44 m/s²
Bremssystem(e):lastabhängige Rekuperationsbremse
Wirbelstrombremse
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Nein
Zug fährt auch in Traktion:Nein
Anzahl der Achsen / davon angetrieben:64 / 40
Länge / Breite / Höhe der Endwagen:26.050 / 3380 / 3650 mm
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen:25.000 / 3380 / 3650 mm
Achslast (maximal):13 t
Leergewicht:710 t
Zuglänge:402 m
Ausrangiert:März 2012
Verbleib:ehemaliger Prototyp: Hamamatsu, Präfektur Shizuoka

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Quellenangaben

  1. Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr – Superzüge in Europa und Japan“, Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart, 1994, S. 79–81.
  2. Murray Hughes: „Die Hochgeschwindigkeitsstory – Eisenbahnen auf Rekordfahrten“, Alba Publikation AIF Teloeken GmbH + Co. KG, Düsseldorf, 1994, S. 111.
  3. Dr. Helmut Petrovitsch: „Das Shinkansen-Hochgeschwindigkeits-Netz in Japan“, Eisenbahn-Revue International, 7/2002, S. 326, 327.
  4. „300 Series Shinkansen“, englischsprachige Wikipedia, abgerufen am 31.08.2014.