Shinkansen Serie 400 - Hochgeschwindigkeitszug in Japan
Shinkansen Serie 400 in Traktion mit Shinkansen Serie E4 Max. – 11.03.2008 © Wikipedia: TC411-507 (CC BY-SA 3.0)
Ende der Achtzigerjahre reiften die Planungen, die Großstadt Yamagata an das Shinkansen-Hochgeschwindigkeitsnetz anzuschließen. Es galt eine Distanz von lediglich 87 Kilometer zu überbrücken. Der Bau einer komplett neuen Strecke wäre jedoch in keinem Verhältnis zu dem erwarteten Passagieraufkommen gewesen. Bis dato betrieb die „JR East“ auf der Relation Yamagata – Fukushima lediglich eine Kapspurstrecke, die sich nicht nur durch einen kleinen Schienenabstand von 1067 mm auszeichnete, sondern auch einen geringen Gleismittenabstand, enge Kurvenradien und starke Steigungen aufwies. Als Kompromiss spurte man die Gleisanlage zwischen 1989 und 1992 auf 1435 Millimeter um.[2][4]
Damit waren auch die Rahmenbedingungen an das rollende Material vorgegeben. Die neuen Shinkansenzüge mussten in der Lage sein, auf beiden, grundverschiedenen Gleisanlagen beste Fahrleistungen zu erbringen. Kawasaki Heavy Industries stellte den sogenannten „Mini-Shinkansen“ der Baureihe 400 her, deren sechsteiliger Prototyp im Oktober 1990 dem Fachpublikum präsentiert wurde. Sein futuristisches Design in Kombination mit einer silbergrauen Lackierung fand bei der Vorführung großen Anklang.[2][3]
Technik der Shinkansen-Serie 400
Von der Baureihe 400 kann man sagen, dass sie ein kompletter Neuentwurf war, denn das kleine Lichtraumprofil der Umspurstrecke erlaubte nur eine geringe Wagenbreite von 2947 mm. Andere Shinkansen-Baureihen sind dagegen 3.380 mm breit. An den Bahnsteigen musste die Distanz zwischen Fahrzeug und Bahnsteig durch herausfahrbare Trittbretter überbrückt werden. Die schlanken Wagenkästen fielen wegen der engen Kurvenradien zudem recht kurz aus. Ein geringerer Achsstand und kleinere Räder waren weitere Charakteristika der Shinkansen Serie 400. Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass die Wagenkästen aus Stahl gefertigt wurden. Trotzdem brachten die Züge annähernd den gleichen Achsdruck auf die Gleise, wie die in Aluminium-Leichtbauweise konstruierte Serie 300.[1]
Die Shinkansen-Serie 400 musste mit zwei verschiedenen Stromsystemen zurechtkommen: 25 kV, 50 Hz auf Schnellfahrstrecken und 20 kV, 50 Hz auf der Umspurstrecke. Beide Pantographen waren so konstruiert, dass sie auf beiden Strecken zum Betrieb taugten. Jede sechsteilige Einheit verfügte über Allachsantrieb. Mit einer Motorleistung von 210 kW pro Achse erreichte der Mini-Shinkansen eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h. Auf der Umspurstrecke waren dagegen nur 130 Stundenkilometer möglich.[1]
Inneneinrichtung des Mini-Shinkansen
Eine Einheit mit zwei Endwagen und fünf Mittelwagen beinhaltete nur 20 Sitzplätze der 1. Klasse. Dieser Großraumbereich, der sich in einem Endwagen befand, bot eine 2+1-Bestuhlung. Grau- und Grüntöne dominierten in der Green Class. In der zweiten Wagenklasse fanden 315 Passagiere Platz, wobei die Sitzteilung von 2+2 der geringeren Wagenbreite geschuldet war. Hier herrschten Grau- und Blautöne vor. Behindertengerechte sanitäre Einrichtungen rundeten das positive Gesamtbild der Shinkansen-Baureihe 400 ab. Der Triebfahrzeugführer freute sich über den futuristisch wirkenden, ergonomischen Fahrerarbeitsplatz mit wenigen, aber übersichtlich angeordneten Instrumenten.[1]
Einsatz der Serie 400
Mit dem sechsteiligen Prototyp fanden umfangreiche Versuchsfahrten auf den Schnellfahrstrecken der JR East und der Umspurstrecke nach Yokohama statt. Die Baureihe 400 konnte auf beiden Terrains überzeugen. Die Krönung der Testfahrten war jedoch der neue japanische Geschwindigkeitsrekord, der zwischen Echigo-Yuzawa und Urasa aufgestellt wurde. Auf der Joetsu-Strecke erreichte der Hochgeschwindigkeitszug beachtenswerte 345,8 km/h.[2]
Shinkansen-Netz
Kawasaki Heavy Industries baute insgesamt 12 Garnituren, darin eingeschlossen der bereits erwähnte Versuchszug, der später zu einem Serienfahrzeug umgebaut wurde. Am 1. Juli 1992 nahmen alle 12 Züge den Betrieb als „Tsubasa“ im Stundentakt zwischen Tokio und Yamagata auf.[2] Zwischen Tokio und Fukushima fuhr sie generell in Traktion mit Shinkansen-Zügen der Baureihe 200. Dafür befand sich am Endwagen, der gegen Tokio zeigte, eine automatische Kupplung unter der zweiteiligen Bugspitze. In Fukushima trennten sich ihre Wege: die Baureihe 200 fuhr weiter nach Morioka, die Baureihe 400 nach Yamagata. Die neue Serie 400 erfreute sich wachsender Beliebtheit. Um der großen Nachfrage Herr zu werden, bestellte man bei der Industrie weitere Mittelwagen nach. Ab 1995 formierte man mit den antriebslosen Mittelwagen siebenteilige Einheiten.[4] Als 1997 die Shinkansen-Serie E4 Fahrt aufnahm, traf man die zierliche Serie 400 auch in Traktion mit diesen wuchtigen Doppelstock-Shinkansen an. In den Jahren 1999 bis 2001 wurden alle Garnituren generalüberholt. Gleichzeitig wurde auch die Lackierung verändert.[5]
Leider trennte sich JR East bereits 2008 von dem Vorserienzug, ein Jahr später wurde fast die ganze Flotte der Serie 400 ausrangiert. Nach einer Einsatzdauer von gerade mal 18 Jahren ersetzte am 19. April 2010 die Baureihe E3 auch das letzte Fahrzeug. Alle 12 Züge wurden verschrottet, lediglich ein Endwagen soll der Nachwelt erhalten bleiben.[5]
Zug- / Baureihenbezeichnung: | Mini-Shinkansen Baureihe 400 |
Einsatzland: | Japan |
Hersteller: | Kawasaki Heavy Industries |
Anzahl der Züge: | 12 Züge |
Zugtyp: | Triebwagenzug |
Anzahl der Mittelwagen: | 5 Mittelwagen |
Anzahl der Endwagen: | 2 Endwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | 20 / 315 / --- (335 insg.) |
Baujahre: | 1990–1995 |
Inbetriebnahme: | 01.07.1992 |
Spurweite: | 1435 mm |
Stromsystem(e): | 25 kV / 50 Hz 20 kV / 50 Hz |
Zugleitsystem(e): | ATC-2, DS-ATC, ATS-P |
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten: | 345.8 km/h |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 240 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 240 km/h |
Motoren: | 24 MT203 Gleichstrom-Motoren |
Antriebsleistung des Zuges: | 5.040 kW ( 24 x 210 ) |
Beschleunigung des Zuges: | 0,44 m/s² |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Nein |
Zug fährt auch in Traktion: | Ja |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 28 / 24 |
Achsformel: | Bo'Bo'+Bo'Bo'+Bo'Bo'+2'2'+Bo'Bo'+Bo'Bo'+Bo'Bo' |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | 20.000 / 2947 / 3970 mm |
Länge / Breite / Höhe der Endwagen: | 22.825 / 2947 / 4070 mm |
Achslast (maximal): | 13 t |
Leergewicht: | 318 t |
Zuglänge: | 145,65 m |
Ausrangiert: | 19.04.2010 |
Verbleib: | z. Zt. in Fukushima |
Quellenangaben
- Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr – Superzüge in Europa und Japan“, Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart, 1994, S. 72, 73, 81–83.
- Murray Hughes: „Die Hochgeschwindigkeitsstory – Eisenbahnen auf Rekordfahrten“, Alba Publikation AIF Teloeken GmbH + Co. KG, Düsseldorf, 1994, S. 114, 115.
- „Yamagata Shinkansen Series 400 ‚Tsubasa‘ – Japan's First Universal High Speed Train“, Website von JR East, abgerufen am 27.07.1997.
- Dr. Helmut Petrovitsch: „Das Shinkansen-Hochgeschwindigkeits-Netz in Japan“, Eisenbahn-Revue International, 8–9/2002, S. 372, 375–377.
- „400 Series Shinkansen“, englischsprachige Wikipedia, abgerufen am 04.09.2014.